Kein Spieler von der Stange

  24.11.2023
GÄUBOTE Portrait Finn Hiemann von Thomas Holzapfel

Solche Spieler wie Finn Hiemann trifft man heutzutage in der Tischtennisszene nicht mehr allzu häufig an. Und doch sind es gerade Spieler wie er, die sportbegeisterte Zuschauer
zuweilen in Entzücken versetzen. Der 18-Jährige ist kein 08/15-Spieler von der Tischtennisstange, zumeist einige Schritte vom Spieltisch entfernt fällt er mit seinem sicheren und attraktiven Abwehrspiel auf. Mittlerweile ist das Herrenberger Eigengewächs in der ersten Mannschaft des VfL in der Verbandsoberliga angekommen. Es war vor etwa fünf Jahren, als Jugendtrainer Jan Schmedding die Idee ins Spiel brachte, den Spielstil von Finn Hiemann grundlegend zu verändern. „Ich hab eigentlich eher so aus Spaß immer mal wieder
gerne in der Abwehr gespielt. Jan meinte dann, wir sollten es mal ernsthaft probieren“, erinnert sich Finn Hiemann noch gut. „Auch als Angriffsspieler hat Finn ganz ordentlich
gespielt, aber ich sah da weniger Potenzial im Vergleich zum Abwehrspiel“, sagt Jan Schmedding heute. Die Erfolge im Jugendbereich stellten sich relativ schnell ein, was vermutlich auch daran lag, dass so manchem Nachwuchsspieler schlichtweg die Erfahrung im Spiel gegen Defensivkünstler fehlt. Der ehrgeizige Nebringer, der eigentlich aus einer Tennisfamilie kommt – Vater Hjalmar war unter anderem von 2008 bis 2014 Vorsitzender im TC Herrenberg –, sich über seinen Bruder Leo aber mit acht Jahren eher der Sportart mit dem noch kleineren Ball zuwandte, verfeinerte mehr und mehr sein Abwehrspiel. „Ich denke, meine Stärke ist mittlerweile der Rückhandball, den ich mit einem Belag
mit langen Noppen mit viel Unterschnitt spiele“, sagt Finn Hiemann heute, „außerdem glaube ich, dass es mir insbesondere in engen Situationen gelingt, mein bestes Tischtennis zu spielen.“ Die Nervenstärke als wichtiges Attribut, das bei der schnellsten Rückschlagsportart definitiv von Vorteil ist. „Da hilft vielleicht auch ein bisschen sein Abwehrspiel“, sagt
Teamkapitän Max Hering, „vielen Gegnern fällt es in spannenden Spielphasen schwer, sich optimal auf die Defensive des Gegenübers zu konzentrieren. Und Finn kann dann auch mal mit einer Gegenattacke glänzen.“ Im VfL-Trikot hat es Finn Hiemann auf regionaler Ebene zu beachtlichen Erfolgen gebracht. Im Mannschaftssport ist die Meisterschaft mit dem Jungen-U-18-Team des VfL in der Landesklasse der größte, in der Saison 2018/19 erspielte er sich am Spitzenpaarkreuz eine 25:1-Bilanz. Im Einzelsport stechen besonders drei dritte Plätze bei den württembergischen Jahrgangsmeisterschaften hervor und im Doppel mit dem Böblinger Maximilian von Löwe klappte es Anfang 2020 sogar mit dem  urniersieg bei den „Württembergischen“. Während andere Talente oftmals den Verein wechseln, um sich sportlich weiterzuentwickeln, setzte Finn Hiemann stets auf die VfL-Karte. „Ich habe nie mit dem Gedanken gespielt, vom VfL wegzugehen, ich habe mich hier immer sehr wohl gefühlt“, sagt der 18-Jährige, der auch nie in den Genuss eines Verbandstrainings kam und sich dementsprechend stets unter den Fittichen der Herrenberger Jugendtrainer zu einem guten Spieler entwickelte. „Zurzeit befinde ich mich wahrscheinlich nicht auf meinem Topniveau“, sagt der 18-Jährige. Der Hauptgrund liegt auf der Hand: Im September hat Finn Hiemann eine Lehre als Koch in einem Stuttgarter Designhotel und Gourmetrestaurant begonnen. „Ich koche schon seit einiger Zeit ziemlich gerne und habe mich dieses Jahr für eine Ausbildung entschieden, die mir wirklich gut gefällt. Aufgrund der Arbeitszeiten kommt das Tischtennisspielen dadurch leider etwas zu kurz“, sagt er. Wie im Tischtennissport sieht er sich auch beim Kochen eher als Allrounder und schwingt den Kochlöffel in alle Richtungen. „Die asiatische Küche mag ich jedoch besonders gerne.“ Je nach beruflichem Einsatzplan, mal im Sternerestaurant, mal im lokalen Café, trainiert der ehemalige Schüler des Schickhardt- Gymnasiums, der zudem Badminton, Volleyball und PC-Spielen zu seinen Hobbys zählt, derzeit ein- bis dreimal pro Woche und kann auch nicht bei jedem Spiel in der Verbandsoberliga seinen Mann stehen. „Es wird in diesem Jahr nicht einfach, die Klasse zu halten, aber ich traue uns das trotzdem zu“, sagt Finn Hiemann und als letztjähriger Landesliga-Spieler ergänzt er: „Für mich ist diese Liga natürlich schon eine Herausforderung, gerade, weil ich nicht
immer so viel trainieren kann. Aber ich denke, ich spiele mittlerweile auch mit weniger Training auf einem akzeptablen Level.“ Verbesserungspotenzial sieht er auf jeden Fall noch im Doppel. „Generell ist für Offensivspieler ein Doppel mit einem Abwehrpartner etwas schwieriger, aber das kann auch gut funktionieren. Mit Ahmad El Haj Ibrahim spiele ich beispielsweise recht gut zusammen. Und württembergischer Meister war ich ja auch schon mal.“ 

Thomas Holzapfel

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